Eigentlich wäre sie am 12. April 1960 um kurz vor halb neun Uhr vormittags
im Bahnhof Wuppertal-Elberfeld an der Bahnsteigsperre abgegeben worden, doch der Besitzer wollte sie behalten. Der Bahnhofsschaffner, das ist der Beamte an der Sperre, konnte dem Besitzer den Fahrausweis allerdings nur „ausgeixt“, also durchgestrichen überlassen – Vorschrift ist Vorschrift!
Warum der Besitzer diese 5,7 x 3,0 cm große Pappe unbedingt behalten wollte, wissen wir nicht. Vielleicht war er ein Sammler oder er konnte die Fahrtkosten von 2,20 D-Mark steuermindernd geltend machen, man wird es nie erfahren.
Entstanden ist die Fahrkarte im Düsseldorfer Hbf am Schalter 1 indem der Schalterbeamte eine unbedruckte Pappe aus dem Pappensilo seines Fahrkartendruckers nahm, den entsprechenden Tarifpunkt im Drucker einstellte und elektromechanisch aus dem wertlosen Zellulosestück einen geldwerten Fahrausweis herstellte. Der Besitzer hätte statt nach Wuppertal-Elberfeld auch auf der Rheinischen Strecke bis Wuppertal-Ostersbaum fahren können, die Fahrkarte war auch dorthin gültig.
So gegen 7:30 Uhr, wir können das heute nur vermuten, erstand er die Fahrkarte, kaufte sich im Düsseldorfer Hbf vielleicht noch eine Zeitung und stand um ca 7:35 Uhr an der Bahnsteigsperre am Eingang des Hauptpersonentunnels. Der Düsseldorfer Bahnhofsschaffner prüfte den Fahrausweis, fragte angesichts der verschiedenen Fahrmöglichkeiten nach dem konkreten Reiseziel, gab dann Auskunft über Abfahrtszeit und Abfahrtsgleis des Eilzuges E 529 während er mittels Sperrenzange das ovale Loch links unten in die Pappe stanzte.
Hernach ging unser „Fahrkartensammler“, nennen wir ihn einmal so, zum Treppenaufgang an den Gleisen 6 / 7 und betrat um etwa 7:40 Uhr den Bahnsteig. Der von ihm gewählte Zug, E 529 Aachen – Düsseldorf – Wuppertal – Braunschweig war schon eingefahren. Gemäß der gewählten 2. Wagenklasse, weswegen die Pappe übrigens braun gefärbt war (dasselbe in grün wäre 1. Klasse gewesen), machte er es sich im Zug bequem. Dass auf der Pappe „Personenzug“ stand, störte ihn nicht. Er wusste, dass lediglich bei der Benutzung von Schnellzügen ein entsprechender Zuschlag zu kaufen gewesen wäre. Nur kurz sinnierte er darüber nach, weswegen er für 27 Kilometer von Düsseldorf Hbf nach Wuppertal-Elberfeld 28 Kilometer Tarifentfernung zahlen musste. Pünktlich um 7:44 Uhr setzte sich der Eilzug in Bewegung, nach Halten in Erkrath (ab 7:55 Uhr) und Wuppertal-Vohwinkel (ab 8:14 Uhr) erreichte er um 8:21 Uhr seinen Zielbahnhof.
Irgendwo unterwegs prägte vermutlich der Zugführer bei seiner Fahrausweiskontrolle jenen entscheidenden Abdruck mit der Zugnummer E 529 auf die Rückseite der Pappe, die es uns heute ermöglicht, diese kurze Reise vor fünfzig Jahren in etwa nachzuvollziehen. Und da der Zangenabdruck die Direktionskennziffer 13 für Hannover enthält, kam der Zugführer oder Zugschaffner vermutlich aus Braunschweig.
Was unser Fahrkartensammler nach dem Verlassen des Elberfelder Bahnhofes mit der Pappe machte wissen wir nicht. Im Jahre 2006 gelangte sie in den Besitz des Eisenbahn- und Heimatmuseums Erkrath-Hochdahl, wurde im dortigen Archiv katalogisiert und wird mit anderen Fahrkarten für die Nachwelt aufbewahrt.